Hohes Gras mitten im Winter – das ist ein ungewohnter Anblick. Aber das ist mit ein Ziel des Ganzheitlichen Managements. Die Idee dahinter ist keine fossilen Rohstoffe zu verbrauchen, sondern die Kühe das machen zu lassen, was sie sowieso am allerbesten können: das Gras selber ernten.

Enkeltaugliche Landwirtschaft

Ein Aspekt des Ganzheitlichen Managements ist eine Landwirtschaft zu betreiben, die auch in 500 Jahren noch möglich ist; eben eine enkeltaugliche Landwirtschaft, wie es so schön treffend heißt. Fossile Rohstoffe kann man dazu nicht mehr mit einrechnen. Denn wer weiß, ob davon in 500 Jahren noch etwas da sein wird.

Es sind also andere Lösungen gesucht. Die fossilen Rohstoffe sind die eine Seite. Die andere sind die Landwirte selber. Gerade steht den Landwirten das Wasser in den allermeisten Fällen bis zum Hals. Selbst 14- und mehr Stunden-Tage reichen nicht aus für ein Einkommen mit dem man leben kann. Ohne die EU-Subventionen wäre kaum ein Landwirt in der Lage seinen Betrieb zu erhalten. Auch das ist nicht enkeltauglich. Denn immer mehr Betriebe werden aufgegeben.

Die Bodengrundlage stellt die nächste große Herausforderung. Geht die Bodenerosion weiter wie im Moment gehen selbst konservative Berechnungen nur noch von 60 Ernten aus. Das ist nicht mehr viel und zeigt, dass sich dringend etwas ändern muss.

Wie macht es die Natur schon seit Jahrmillionen?

Vielleicht ist es eine Möglichkeit die Natur als Beispiel zu nehmen. Sie existiert schon so unglaublich lange und hat über die Zeit die bestmöglichen Verfahren „entwickelt“ gesunde Ökosysteme zu erstellen.

Das Problem ist, dass wir hier bei uns keine natürlichen Flächen mehr als Vorbild haben. In Europa wird schon seit so vielen tausenden Jahren Landwirtschaft betrieben, dass es keinerlei Hinweise mehr gibt, wie es denn davor war. Anders in Amerika oder Australien. Es gibt einige Berichte von den ersten Siedlern, die die Natur beschrieben haben.

So gibt es von George Augustinus Robinson (1840s), der zum Schutz der Ureinwohner Australiens eingesetzt war, Beschreibungen in seinem Tagebuch, wie er das Land vorfand:

  • Massenweise Gras
  • Teppiche mit Wildblumen in allen Farben
  • Tiefe, lockere Erde, konnte einen Stock leicht 60 cm in Boden stecken
  • Immer noch alles grün nach 90 Tagen ohne Regen bei Temperaturen von 100°F

Oder Sir Paul Edmund Strzelecki, der im Rahmen von Goldsuche in Australien von 1839-1843 Bodenproben untersuchte, stellte fest, dass der Bestandteil an organischem Material bei den 10 besten Böden bei 11- 37,75% (Durchschn. 20%) lag. Das sind Zahlen, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann.

Die ersten Siedler in Amerika berichten, dass das Gras so hoch war, dass man es überm Sattel zusammenknoten konnte. Auch da gab es meterdicken guten Boden bevor der Mensch anfing ihn zu bearbeiten.

Inzwischen hat man viel dazu gelernt. Man hat heute eine Idee davon, wie die Natur es macht bzw. gemacht hat. Die Photosynthese ist der Schlüssel. Eine Pflanze gibt ca. 40% an den Stoffen, die sie synthetisiert an den Boden ab. Dort „füttern“ sie gezielt die Bodenorganismen, die ihnen die Nährstoffe besorgen können, die sie brauchen und nicht selber synthetisieren können. Denn in einem Boden sind alle Mineralien enthalten. Das Problem ist nur, dass sie für die Pflanzen nicht verfügbar sind. Die Pflanzen sind also auf die Zusammenarbeit mit den Bodenorganismen angewiesen. Und dann funktioniert das System auch ohne Zutun von außen.

Warum müssen wir umlernen?

Liebig (1840) hatte damals die Theorie aufgestellt, dass alles was eine lebende Pflanze an Mineralien braucht, das ist, was in der Asche übrig bleibt, wenn das organische Material verbrannt ist. Daher kommt der Gedanke, dass man ersetzen muss, was abgeerntet wird.

Dazu kam, dass nach dem 1. Weltkrieg sehr viel „Chemie“ aus der Waffenherstellung übrig war und man erkannte, dass man das gut in Kunstdüngern zu Geld machen könnte. Über gezielt Werbung wurde mit den Jahren erreicht, dass man als altmodisch galt, wenn man noch mit Kompost arbeitete. Es war doch mit Kunstdünger viel einfacher.

Das hat sich soweit durchgesetzt, dass auch heute noch an den Landwirtschaftsschulen so unterrichtet wird. Dabei weiß man eigentlich längst, dass man mit Kunstdünger keine gesunden Pflanzen produzieren kann. Pflanzen brauchen 82 unterschiedliche Mineralstoffe (was man bis jetzt weiß). Stickstoff, Phosphor und Kali ist der Standard, der gestreut wird. Fortschrittlichere Landwirte denken immerhin schon an Schwefel, Magnesium, Bor und vielleicht noch wenige andere. Aber das ist noch weit davon entfernt, was eine Pflanze braucht.

Aber das ist ja auch nicht schlimm. Denn kranke Pflanzen sind gut fürs Geschäft: Man kann alle möglichen Spritzmittel direkt mitverkaufen. Und das kurbelt die Wirtschaft an, denn man muss immer wieder neue Mittel entwickeln, weil die Natur fast schneller Resistenzen entwickelt, als der Mensch neue Mittel produzieren kann. Die Lösung wird in der Gentechnik gesehen. Nur wenn man noch nicht einmal schafft, die recht überschaubaren 82 Mineralstoffe „in den Griff“ zu bekommen, dann ist ein Herumexperimentieren mit der Gentechnik, wo man überhaupt nicht absehen kann, was das für Auswirkungen hat, schlicht und einfach größenwahnsinnig. Und wenn wir uns anmaßen, dass wir mit unserer kurzen Lebensspanne etwas verbessern wollen, was die Natur in tausenden von Jahren perfektioniert hat, findet man dafür eigentlich keine Worte.

Von der Natur lernen

Sollten wir uns nicht lieber zurück nehmen und versuchen von der Natur zu lernen, bevor wir anfangen zu verschlimmbessern? Es ist eigentlich schon sehr viel Wissen da. Man weiß längst schon, dass z.B. folgende Punkte für einen gesunden Boden wichtig sind:

  • Ständig bedeckter Boden
  • Möglichst immer lebende Pflanzen darauf
  • Artenreichtum
  • Keine Gifte, keine Kunstdünger
  • Humusaufbau

Das Problem ist nur, dass sich keiner vorstellen kann, wie es ohne Bodenbearbeitung, Kunstdünger und Biozide funktionieren soll. Kann man sagen, dass wir seit Liebig einer Gehirnwäsche unterzogen wurden?

Aber es gibt Bespiele: Das Ganzheitliche Management ist eines davon! Aktuell gibt es gerade einmal 3 Betriebe in Deutschland, die so ausgebildet sind und sich ständig fortbilden, dass sie das anwenden und als Beispiel dienen können (KugelSüdhanghof im Allgäu, Gut Haidehof in Hamburg und wir). Mehr und mehr Menschen sehen das Ergebnis und lassen sich hoffentlich inspirieren, auch wenn das bedeutet, dass man sein ganzes bisheriges Denken infrage stellen muss.

Hohes Gras mitten im Winter

Das war eigentlich unser Ausgangspunkt. Wenn man lernt mit der Natur zu arbeiten, kann man erreichen, dass es viel höheren Ertrag gibt, als wir ihn uns bisher vorstellen können. Die Bodenorganismen können uns auch dabei helfen, dass es länger wächst und im Frühjahr wieder früher zu wachsen beginnt.

Wenn wir dieses Wissen jetzt geschickt anwenden, können wir die Tiere auch über den Winter ihr Futter draußen ernten lassen. Da wir auch noch mitten im Lernen sind, haben wir dieses Ziel noch nicht ganz erreicht. Aber wir haben die Herde immerhin schon einen Monat länger draußen fressen lassen können als den Winter davor. Außerdem gibt die ersten Ausblicke, wie es später mal aussehen kann, was man im folgenden Video vom 1. Januar 2020 schön sehen kann.

Hohes Gras mitten im Winter:

Die Tiere haben dann nicht nur draußen ihr Futter, ohne dass wir Maschinen, Diesel und Arbeitszeit investieren müssen, sie haben auch die besten Voraussetzungen für ein perfektes Tierwohl. Das Gras enthält mehr Nährstoffe, als das mit konserviertem Futter möglich ist. Das trägt zur Herdengesundheit bei. (Wir hatten schon seit 3 Jahren kein krankes Tier mehr). Außerdem kann der Boden mehr Wasser speichern. Das bedeutet er vermatscht auch nicht so schnell, wie man im nächsten Video schön sieht:

Ein Arbeiten mit der Natur bringt also Vorteile für alle. Man muss nur den Schritt wagen und neu- und umdenken, z.B. was hohes Gras mitten im Winter angeht. Wir können nicht verbessern, was die Natur schon über so lange Zeit perfekt ausgetüfftelt hat. Aber wir können von ihr lernen.